Hauptsache bunt und man hört Ton! Das ist zwar eine Herangehensweise aber nicht die Richtige, wenn man möchte, dass sein Livestream beim Zuschauer hängen bleibt. Wer einen Webcast produziert, möchte sicher, dass der Zuschauer „dran“ bleibt und versteht um was es beit der Übertragung geht. Außerdem soll er den bestmöglichsten Eindruck von dem Event bekommen. Egal ob es eine teure, aufwändige Übertragung ist oder ein Stream mit dem Handy über Periscope oder Meerkrat. Daher führt dieser Teil von „Livestreaming – Tips und Tricks“ in die „geheime“ Kommunikation von Video/Bildern. Und in Erinnerung an den kürzlich verstorbenen Schriftsteller und Professor für Semiotik, Umberto Eco, stellen wir hier die von ihm definierten „Codes“ vor. Es wird jetzt vielleicht etwas „wissenschaftlich“, aber jeder Kameramann und Produzent muss sich bewusst sein, das es Regeln gibt und das mit jedem Bild auch ein Inhalt zum Zuschauer transportiert wird. Dieses Bild muss der Zuschauer im Kopf (kognitiv) richtig deuten, sonst besteht die Gefahr dass es falsch verstanden wird. Wer aber darum weiß, kann sein Wissen bewusst einsetzen, um seine (des Produzenten) gewünschte Wirkung zu erzeugen. Bevor es um die „Codes“ geht, gibt es erstmal einen kurzen Ausflug in die Semiotik.
Semiotik ist die Wissenschaft und Lehre der Zeichen. Semiotik beschäftigt sich mit der Wirkungsweise, dem Aufbau sowie der systematischen Verbindung von Zeichen. Auch ein Video besteht aus diversen Zeichen, die der Zuschauer enkodieren und verarbeiten muss. Daher ist das Wissen um die Semiotik ein wichtiger Bestandteil einer gelungenen Videoübertragung.
„Das, was im Bild gezeigt wird, ist eine in sich abgeschlossene Welt, die durch die Bildgrenzen ihr Ende findet und durch sie definiert wird. Innerhalb dieses Bilderrahmens bezieht sich alles aufeinander.“ (zit. Hickethier, 2007: 47)
Das Wort Semiotik kommt aus dem Griechischen (semiotikós) und bedeutet „zum Bezeichnen gehörend“ (Friedrich/Schweppenhäuser, 2010: 26). Die Wissenschaft der Semiotik teilt sich in die Bereiche Pragmatik, Semantik und Syntaktik. Pragmatik ist die Lehre von der Herkunft, gemeinsamen Nutzung und kommunikativen Wirkung von Zeichen. Semantik ist ein Bereich, in denen die Bedeutung von Zeichen, innerhalb und über unterschiedliche Kulturen hinaus, eine möglichst gleichartige ist (zum Beispiel das „Stop-Schild“, das überall auf der Welt erkannt wird und den selben „Inhalt“ vermittelt). Syntaktik ist die Untersuchung der Möglichkeit, Zeichen miteinander zu kombinieren und komplexe Botschaften zu bilden (Lester, 2006: 14).
Zeichen kommen überall in unserem Alltag vor, denn alle Arten von Mitteilungen benötigen Zeichen wie z.B. Schriftzeichen, Bildzeichen, Morsezeichen oder auch die Körpersprache (Friedrich/Schweppenhäuser, 2010: 26). So sind Bilder eine Ansammlung von Zeichen, die sich in ihrer Gesamtheit mit dem Betrachter verknüpfen (Lester, 2006: 16). Zeichen bedeuten etwas oder stellen einen Sinn dar, indem sie die Nachricht in einem Code transportieren, der sowohl dem Sender als auch dem Empfänger vertraut sein muss. (Friedrich/Schweppenhäuser,2010: 26).
Das bedeutet: Interpretiert der Empfänger ein Zeichen nicht im Sinne des Absenders, wird also der Code falsch decodiert, wird das Zeichen nicht erkannt bzw. es folgt ein Fehlurteil oder eine Fehlinformation.
Der oben schon erwähnte Schriftsteller und Medienwissenschaftler Umberto Eco hat 1988 eine Klassifizierung der Codeebene der visuellen Kommunikation aufgestellt, die sich wie folgt darstellt:
- Wahrnehmungscodes
- Erkennungscodes
- Übertragungscodes
- Tonale Codes
- Ikonische Codes
- Ikonografische Codes
- Codes des Geschmacks und der Sensibilität
- Rhetorische Codes
- Stilistische Codes
- Codes des Unbewussten
Diese Codes bauen aufeinander auf. Die Wahrnehmungscodes bestimmen die Bedingungen für eine ausreichende Wahrnehmung, während Erkennungscodes diese strukturiert. Gegenstände oder auch Personen werden klassifiziert, erkennbar und erinnerbar gemacht. Übertragungscodes strukturieren die Sinneswahrnehmung wie z.B. den Zeilenstandard beim Fernsehbild oder die Datenrate beim Internet. Tonale Codes konventionalisieren Konnotationen (der Ton fasst das Bild also zusammen bzw. gibt ihm eine Struktur). Diese 4 Codes bilden die Grundebene für das Dargestellte und den Inhalt. Darauf bauen die weiteren 6 Codes auf, die für eine überzeugende Übermittlung des Inhalts von Bedeutung sind, denn „…diese strukturieren bestimmte ikonische und ikonologische, rhetorische oder stilistische Konfigurationen, die konventionellerweise für fähig gehalten werden, bestimmte Identifikationen oder Projektionen auszulösen, bestimmte Reaktionen zu stimulieren und psychologische Situationen auszudrücken“. Video gehört zu den ikonografischen Codes, die komplexe und kulturell bestimmte Aussagen zusammenfassen (Eco, 1988: 246 ff.).
Die von Eco definierten und beschriebenen Codes sind somit für die audiovisuelle Kommunikation von Bedeutung, denn Wahrnehmungs- und Erkennungscodes werden besonders schnell durch Video transportiert. Kurz gesagt – in einem Bild werden mindestens 10 Codes übermittelt (ob einer will oder nicht), die dafür verantwortlich sind, ob ein Zuschauer den „richtigen“ Eindruck und gewollten Input bekommt. Wenn darauf geachtet wird, wie z.B. der Hintergrund, das Bühnenbild, der Vordergrund, die Personen und auch die tonliche Qualität dargestellt werden, ist man auf dem besten Weg zu einem erfolgreichen Livestream. Allerdings sollte natürlich auch der Inhalt interessant sein und zur audiovisuellen Darstellung passen. Sonst hat man zwar die schönste Abbildung – aber die Leute schlafen vor dem Rechner ein.
In einem folgenden Beitrag gehen wir tiefer in die Bildpsychologie. Zusammen mit ein paar praktischen Beispielen.
(VH)