Am Sonntag, 4.12.2016 soll es nun soweit sein. Nach zwei vergeblichen Anläufen soll der neue Bundespräsident der Republik Österreich gewählt werden. Als Kandidaten stehen sich der FPÖ-Mann Norbert Hofer (45) und Alexander Van der Bellen (72) gegenüber. Nicht nur auf den ersten Blick zwei Männer, die unterschiedlicher nicht sein könnten.Während Norbert Hofer als FPÖ-Mann ein rechtsgerichteter Kandidat ist, ist Van der Bellen eher links einzuordnen.
Van der Bellen war ein Spätzünder in Sachen Politik. Erst mit 50 Jahren wurde er Mitglied bei den Grünen. Vorher war er als Wirtschaftswissenschaftler an der Uni Wien tätig. Van der Bellen ist Sohn einer Estin und eines Russen mit niederländischen Wurzeln. 1945 floh die Familie vor der Roten Armee und wurden im Kaunertal von den Nazis angesiedelt. Über Innsbruck kam Van der Bellen nach Wien und wurde 1994 Nationalratsabgeordneter für die Grünen. 1997 übernahm er die Rolle des Parteichefs und brachte seine Partei bei den Nationalratswahlen 2006 auf 11% der Stimmen, ehe er das Amt 2008 an seine Nachfolgerin Eva Glawischnig übergab.
Alexander Van der Bellen ist ein Europa Befürworter und tritt für liberale und soziale Werte ein. Während seiner Zeit bei den Grünen vertrat er nicht immer die Linie der Partei und eckte dadurch oftmals an. Er ist ein Politiker „der alten Schule“. Er wirkt oftmals etwas langsam, was ihm schon hier und da Spot eingebracht hat. Trotzdem ist es gerade dieses „Professorenimage“ auf dem die Hoffnungen der SPÖ, ÖVP sowie allen Liberalen und demokratischen Kräften für die Bundespräsidentenwahl ruhen.
Denn anders als in Deutschland, ist der Bundespräsident mit sehr viel Macht in seinem Amt ausgestattet. Er ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte und kann, wenn er einen Grund dazu sieht, das Parlament in Wien aufheben. Mit genau diesem Gedankenspiel sorgte „der Blaue“ Norbert Hofer, bereits im ersten Wahlkampf um den Platz in der Hofburg, für Aufsehen.
Hofer, der vor 15 Jahren einen Unfall beim Paragliden hatte und seit dem Gehbehindert ist, ist Vollblutpolitiker und ein perfekter Rhetoriker. Er kann sich gut auf sein Gegenüber einstellen, scheint dabei immer aufmerksam und ruhig. Meist lächelnd versucht er, die Gesprächspartner und Zuhörer für sich ein zunehmen. Das kommt bei den Wählern an. Aussagen über Flüchtlinge die Köpfe abschneiden, Konkurrenten die „faschistische Diktatoren sind“ oder eben die Gedankenspiele um die Aufhebung des Parlaments kommen bei seiner Wählerschaft scheinbar an. Fühlt sich Hofer allerdings in die Ecke getrieben, entweicht er dem Thema schlagartig oder lacht auch mal seinen Gegenüber aus. Das 5 seiner engsten Mitarbeiter zu einer rechtsextremen Burschenschaft gehören, tut der Popularität des ehrgeizigen Burgenländers ebenfalls kein Abbruch. Er wird nicht zu Unrecht als Nachfolger des aktuellen FPÖ-Vorsitzenden Strache gehandelt.
Dritter Wahlanlauf und eine wichtige Entscheidung für Europa
Die Wahl am 4.12.16 ist der dritte Versuch einen Bundespräsidenten zu küren. Van der Bellen hat zwar die erste Wahl mit rund 35.000 Stimmen Vorsprung gewonnen. Doch die FPÖ legte Einspruch gegen das Wahlergebnis ein, da Briefwahlstimmen bereits am Wahltag geöffnet wurden (und nicht nach Schließen der Wahllokale). Eine in Österreich lang gelebte Praxis, an denen sich die FPÖ bisher auch nicht störte. Aber das Verfassungsgericht gab dem Kläger Recht und so sollte die Wahl am 2.10.16 wiederholt werden. Dummerweise klebten dann die Wahlumschläge nicht richtig, so dass die Wahl nochmals verschoben wurde.
Europa schaut mit Sorgenfalten auf die Bundespräsidentenwahl des 6 Millionen Einwohner Landes. Nicht weil es wirtschaftlich von großer Interesse wäre, sondern weil die Sorge besteht, das die Alpenrepublik einen Rechten Staatsführer bekommt. Als erstes Westeuropäisches Land. Ein fatales Zeichen und nach dem Brexit ein weiterer Schlag für ein liberales und friedliches Europa. Ausgerechnet Österreich, das historisch gesehen schon immer sehr national und selbstbewusst war, könnte (wieder) die Lunte für einen Rechtsruck in Europa legen. Toleranz, soziale Gerechtigkeit und die viel gepriesenen „westlichen Werte“ müßten, 70 Jahre nach Ende der letzten nationalistisch geprägten Epoche, um ihre Daseinsberechtigung kämpfen. Einen Kampf den jeder angehen muss, der gerne in diesem Europa lebt – auch wenn es natürlich nicht perfekt ist. Es ist aber allemal besser als den Weg der Intoleranz, Fremdenfeindlichkeit und Angstmacherei zu gehen.
Wer darüber nochmal nachdenken möchte, kann sich von Oma Gertrude (89) erzählen lassen wie das ist.
Die ersten Hochrechnungen und Ergebnisse werden am 4.12.2016 abends erwartet. Die Demoskopen sagen im Moment ein Kopf an Kopf Rennen bevor. Allerdings lagen diese in der näheren Vergangenheit ziemlich daneben. Daher Livestream schauen und sich direkt informieren welchen Weg die Österreicher eingeschlagen haben.
(VH)