Am 22. Juni 2016 findet in Hannover die 56. Hauptversammlung des Volkswagen-Konzerns statt. Rund eine Woche nach Bekanntgabe der Strategie „2025“ durch Vorstandschef Matthias Müller, muss der Aufsichtsrat und der Vorstand den Aktionären Rede und Antwort stehen. Experten sehen in der HV die „interessanteste“ Eigentümer-Versammlung des Jahres. Allerdings bleibt es abzuwarten, ob es wirklich so lebhaft wird, wie es bei „normalen“ Unternehmen werden würde. Denn die Aktionärsstruktur ist bei Volkswagen schon besonders. 30,8% des gezeichneten Kapitals besitzt die Porsche Holding, 21,1% liegen bei ausländischen Investoren, Quatar hält rund 14,6% und das Land Niedersachsen 11,8%. Die restlichen 21,7% der Anteile sind verstreut auf Privat- und Institutionelle Anleger aus dem Inland. Zum Vergleich: beim Autobauer Daimler besteht die Aktionärsstruktur zu 90,1% aus Institutionellen und Privaten Anlegern. Der Rest verteilt sich auf Renault-Nissan und Kuwait.
Da Volkswagen einen Teil seiner Aktien als Vorzugsaktien herausgibt, sieht die Stimmrechtsverteilung nochmal anders aus: 52.2 % der Stimmrechtsanteile liegen bei der Porsche Automobil Holding SE, 20 % beim Land Niedersachsen, 17 % beim Land Quatar und nur 10,8% bei Privaten und Institutionellen Anlegern. Da sowohl Porsche, das Land Niedersachsen und auch Quatar im Aufsichtsrat vertreten sind, wurden viele kritische Punkte bereits im Vorfeld geklärt. Während der Vorstellung der Strategie „2025“, bezog sich Müller auch deutlich auf den Rückhalt des Gremiums für seine Unternehmensvision.
In den vergangenen Jahren ging es bei Aktionärsversammlungen von Volkswagen eher gemächlich zu. In der Aussprache ging es nicht selten um verpatzte Probefahrten, Einkaufspreise für verrentete Mitarbeiter oder um die Transferpolitik vom VFB Wolfsburg. Diese Anliegen gibt es sicher wieder, allerdings wird es in diesem Jahr mehr um die Gehaltsstruktur des Vorstands, den Imagefolgen des Abgasskandals, die Frage nach der Verantwortung, die Strafzahlungen und noch nich absehbaren finanziellen Folgen sowie um die Einigung mit den US Behörden und um die niedrige Dividende gehen (0,17 Euro für jede stimmrechtslose Vorzugsaktie und von 0,11 Euro je stimmberechtigter Stammaktie). Anlegerverbände wie der DSW haben zudem eine Sonderprüfungen -zusätzlich zur internen Prüfung der Kanzlei Jones Day- auf die Tagesordnung gesetzt.
Dennoch wird es Müller bei seinem Auftritt in der Hauptsache um ein Thema gehen, das er bei seiner Strategievorstellung klar formulierte: „Unsere wichtigste Währung sind Glaubwürdigkeit und das Vertrauen in unsere Marken und Produkte und in Volkswagen als Ganzes“. Allerdings wird dafür nicht nur seine Rede wichtig sein, sondern auch die subjektive Offenheit bei der Beantwortung von Aktionärsfragen. Die laut dpa eingeleiteten Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Braunschweig gegen den ehemaligen Volkswagen Chef Winterkorn, dürften eine untergeordnete Rolle spielen (auch wenn diese Untersuchungen ein erhebliches, finanzielles Riskio für den Konzern mit sich bringen können, sollte die Marktmanipulation gerichtlich festgestellt werden). Anders sieht es aus, sollte es auch eine Untersuchung gegen VW-Markenchef Herbert Diess geben. Da dieser am Mittwoch auf dem Podium sitzen wird, dürfte er einige unangenehme Fragen zusätzlich gestellt bekommen – und den Konzern vor ein weiteres Problem stellen.
Die Hauptversammlung beginnt am Mittwoch, 22.6.16 um 10.00 Uhr. Die Reden des Aufsichtsratsvorsitzenden und des Vorstandsvorsitzenden werden per Livestream übertragen.
(VH)
Quellen: volkswagen.com, daimler.com, dpa, handelsblatt.de