Update 19.6.16
Solch ein Finish hat es in den vorhergehenden 83 Auflagen vom 24 Stunden Rennen in Le Mans selten gegeben. Mit über einer Minute lag Toyota in Führung. Vor dem Porsche 919 Hybrid No. 02 mit den Fahrern Dumas, Jani und Lieb. Eine Runde trennte das Toyota Team noch vom Sieg, als der Wagen auf der Star/Zielgeraden plötzlich stehen blieb. Porsche konnte so überholen und den Japanern den Sieg entreißen. 2016 war ein spannendes und von Taktik geprägtes Rennen. Über Stunden ging es um Sekunden bei hohem Tempo. Dabei schenkten sich Porsche und Toyota nichts. Mehrfach gab es Führungswechsel zwischen Toyota und Porsche. Zuletzt schienen die Stuttgarter allerdings zufrieden mit dem zweiten Platz zu sein, ehe Kazuki Nakajima seinen Toyota rund 3 Minuten 30 vor Ende des Rennens auf der Strecke abstellen musste. Auf Platz zwei nach Porsche folgte im Endergebnis der zweite Toyota, vor den beiden Audis R18. Eine Übersicht vom Gesamtergebnis 2016 gibts hier.
Das 24 h Renne von Le Mans
Es gibt mittlerweile viele anerkannte 24 Stunden Rennen im Motorsport. Spielberg oder 24h Nürburgring sind solch intensive Rennen. Wenn man aber von DEM 24 Stunden Rennen im Motorsport spricht, ist damit das 24h Stunden Rennen von Le Mans gemeint. Woher kommt dieser Mythos, der für jeden Langstrecken-Fahrer der wichtigste Sieg im Jahr ist?
Vielleicht weil es das älteste Grand Prix Rennen der Welt ist? Vielleicht weil es auf seinen 13,5 Kilometern Rundkurs schon viel Freude und viele Tränen gesehen hat? Oder wegen der Hochgeschwindigkeitsstrecke, die einen Vollgasanteil von über 85 % besitzt und so Unfälle in jedem Rennen vorprogrammiert sind? Es ist sicher aus allem etwas.
Die 24 Stunden von Le Mans wurden als Langstreckenrennen geplant, bei dem die Autohersteller die Zuverlässigkeit und den Entwicklungsstand ihrer Fahrzeuge unter Beweis stellen konnten. In den ersten Jahren war es nur den Fahrern selbst erlaubt, Reparaturen mit Bordwerkzeug durchzuführen. Heute repariert ein Mechanikerteam in einer unglaublichen Geschwindigkeit den Boliden. Bleibt der Wagen aber auf der Rennstrecke liegen, darf der Fahrer keine fremde Hilfe in Anspruch nehmen. Ziel des Rennens ist es, möglichst viele Runden innerhalb von 24 Stunden zurückzulegen und nach 24 Stunden die Ziellinie zu überqueren. Dank Übertragungstechnologie können die Zuschauer das Rennen heutzutage, aus Fahrzeugen und aus verschiedenen Perspektiven im Livestream komplett miterleben.
Der erste Grand Prix fand bereits 1906 auf dem Circuit des 24 Heures statt. Ursprünglich verband die Strecke die Orte Le Mans, Mulsanne und Arnage und führte zum Teil quer durch die Innenstädte. Über die vielen Jahre wurde die Strecke verändert und ausgebaut. Mit den immer schneller werdenden Fahrzeugen stieg auch das Unfallrisiko. 1955 kam es zum bisher schwersten Unfall der Motorsportgeschichte. Bei der Kollision zwischen dem Franzosen Pierre Levegh und dem Briten Lance Macklin starben 84 Menschen, unter ihnen auch der Mercedes Fahrer Levegh selbst. Sein Fahrzeug, ein Mercedes-Benz 300 SLR, wurde bei einem Auffahrunfall über die Absperrung katapultiert. Herumfliegende Teile und ein Feuer brachten 83 weiteren Menschen den Tod. Ausschlaggebend für die Kollision war ein Ausweichmanöver zwischen Hawthorn/Jaguar und Macklin/Austin-Healy. Juan Manuel Fangio, einer der bekanntesten Rennfahrer der Welt, wurde von seinem Teamkollegen Levegh noch durch ein Handzeichen gewarnt. Er selbst konnte dem Austin aber nicht mehr ausweichen. Das Rennen wurde nicht abgebrochen. Gewonnen hat das Team Jaguar mit dem Unfallverursacher Hawthorn. Mercedes zog, an Platz 2 liegend, nach bekannt werden der Opferzahlen, seine beiden Teams (Juan Manuel Fangio/Stirling Moss und Karl Kling/André Simon) aus dem Rennen. ARTE hat die Tragödie in einem Film dokumentiert und versucht aufzuarbeiten: https://www.youtube.com/watch?v=H89X5ZmeYYI
Nach dem Unfall wurden diverse Sicherheitsvorkehrungen im gesamten Motorsport beschlossen und umgesetzt. Auch in Le Mans wurde die Strecke geändert und ein paar Jahre später mit Leitplanken ausgestattet. 1972 wurde durch den Bau der Porsche-Kurven der schnelle und gefährliche Abschnitt Maison Blanche umgangen. Die berühmte 6 Kilometer lange und gerade Strecke wurde nach einem Geschwindigkeitsrekord von 405km/h im Jahre 1990 von der FIA entschärft.
Die Durchschnittsgeschwindigkeit sank durch das Aufstellen von Schikanen von 251 km/h auf 247 km/h. Die Spitzengeschwindigkeit liegt aktuell bei 340 km/h. Allein diese nackten Zahlen zeigen, welche Belastungen Mensch und Material bei dem Rennen stundenlang aushalten müssen.
2006 gewann erstmals in der Geschichte von Le Mans mit dem Audi R10 TDI, einem Diesel-Fahrzeug. Danach siegten bis 2014 ununterbrochen Diesel-Fahrzeuge. Im Zuge der grundlegenden technischen Regeländerungen im Jahr 2011, gab der Veranstalter ACO den Herstellern größtmöglichen Spielraum bei der Verwendung von kinetischen Energie-Rekuperations-Systemen. Schon im darauffolgenden Jahr gewann mit dem R18 e-tron quattro (Audi) erstmals ein Fahrzeug mit Hybridantrieb.
Das Starterfeld bei den 24 Stunden von Le Mans ist in vier Klassen aufgeteilt. Je zwei Klassen für Sportprototypen und Gran Turismos:
Le Mans Prototype 1 (LMP1): Mindestgewicht (LMP1-H): 870 kg; Hubraum: nicht limitiert; max. 2 Energy Recovery Systeme Mindestgewicht (LMP1): 850 kg; Hubraum: max. 5.500 cm³
Le Mans Prototype 2 (LMP2): Mindestgewicht: 900 kg; Hubraum: Serienbasierte Motoren bis 5000 cm³ (Saugmotoren mit maximal 8 Zylindern) oder 3200 cm³ (Turbomotoren mit maximal 6 Zylindern)
Le Mans GTE Pro: Seriennahe GT-Sportwagen (Fahrerbesetzung mit professionellen Fahrern)
Le Mans GTE Am: Seriennahe GT-Sportwagen (Jahreswagen oder ältere Fahrzeuge mit Fahrerbesetzung mit mindestens einem Amateur)
In den vergangenen Jahren dominierte Audi die LMP1 Klasse. Von 2011 bis 2014 gewannen die Ingolstädter 4 Mal in Folge. Nachdem sich Porsche 1998 mit einem Sieg in Frankreich aus dem Rennzirkus verabschiedet hatte, stiegen die Stuttgarter 2014 wieder in das Renngeschäft ein. Zum Entsetzen der Konzernkollegen gewannen sie das Rennen 2015 mit einem Porsche 919 Hybrid. Mit dabei war der ehemalige Formel 1 Rennfahrer Nico Hülkenberg. Das war der insgesamt 17 Sieg von Porsche in Le Mans und ist damit der Hersteller mit den meisten Siegen beim 24 Stunden Rennen von Le Mans.
Für 2016 gibt es keinen Favoriten in der LMP1-Klasse. So gab es in den 24 Stunden Rennen von Silverstone und Spa viele Zwischenfälle und technische Defekte bei Audi, Porsche und Toyota. Das zeigt, wie sehr die Hersteller an die Grenzen des Machbaren gehen. 2016 wird wohl derjenige gewinnen, der den besten Tag erwischt und die Technik nicht ganz an den Anschlag bringt.
Update: Porsche startet aus der ersten Startreihe, gefolgt von Toyota und den beiden Audis in der LPM1 Klasse. Die Wettervorhersagen zeigen wechselnde Bedingungen mit Regen an. Ein spannendes Rennen ist 2016 somit vorprogrammiert.
(VH)
Bildquellen: Audi Mediacenter, Porsche Newsroom